Präsident Dr. Dieter Romann im Interview mit der Funke Mediengruppe

08.05.2019

Präsident Dr. Dieter Romann im Interview mit der Funke Mediengruppe

In Talk-Shows sieht man ihn nie, Interviews sind selten. Jetzt ließ sich Dieter Romann, Präsident der Bundespolizei, aus der Reserve locken. Nachdem die Flughäfen bessere, schnellere, effizientere Kontrollen anmahnen, wehrt sich der Potsdamer Behördenchef gegen die Kritik. Sein Selbstverständnis: Die Polizei ist für die Sicherheit von Passagieren und Gepäck da, nicht „für die Etablierung eines Geschäftsmodells“. Ein Gespräch über die Flugsicherheit.

Herr Romann, wie groß ist das Risiko einer Entführung oder eines Anschlags auf ein Flugzeug oder Flughafen?
Dieter Romann: 2016 gab es drei Attacken, im Februar in Mogadischu, im März in Brüssel, im Juli in Istanbul. Wir müssen jederzeit mit Anschlägen gegen Flughäfen oder Flugzeuge rechnen, auch in Deutschland. Wir beobachten immer wieder „Dry-Runs“: Versuche, unsere Sicherheitsvorkehrungen und unsere Reaktion zu testen. Umso wichtiger sind hohe Sicherheitsstandards.

Fühlen Sie sich durch den Anschlag von Sri Lanka in der Einschätzung bestätigt?
Romann: Ich kann nur sagen, dass nach Einschätzung der Bundessicherheitsbehörden weiterhin eine hohe Gefährdung besteht.

Müssen bekannte Gotteshäuser wie der Kölner Dom oder der Hamburger Michel besonders beschützt werden?
Romann: Ja, und das geschieht bereits.

Vor dem 11. September 2001 kannte die Welt Flugzeugentführungen - als Selbstmordkommando war es ein neuer Modus. Wie gut sind wir gegen ein neues Phänomen geschützt, Sabotage durch Drohnen wie auf dem Flughafen London-Gatwick im Dezember 2018?
Romann: Gatwick hat gezeigt, dass niemand auf eine solche Bedrohung vorbereitet war. Eine massive Gefährdung des Luftverkehrs durch Drohnen wie in Gatwick kann sich jederzeit wiederholen. Darauf müssen wir uns vorbereiten.

Rein technisch gefragt – wie?
Das Ziel muss sein, eine solche Drohne zu übernehmen. Wir müssen eine Drohne in unsere Gewalt bringen, steuern und übernehmen – und die Person ausfindig machen, die sie gelenkt hat. Nach meinem Kenntnisstand gibt es zum jetzigen Zeitpunkt noch keine optimale passende Lösung, zumindest nicht für urbane Gebiete. Wir arbeiten an einem gemeinsamen Abwehrsystem mit den Flughafenbetreibern, der Deutschen Flugsicherung sowie anderen beteiligten Institutionen. Aber es ist noch nicht reif für eine Einführung.

Wer ist für die Abwehr zuständig?
Romann: Ich sehe den Flughafenbetreiber in der Mitverantwortung, ebenso die Flugsicherung, die den Luftraum überwacht - mindestens im Bereich der Detektion und Verifikation. Beide achten auf Vögel und Vogelschwärme. Dann können sie auch auf Drohnen achten. Allein 2018 gab es 158 Vorfälle mit Drohnen an deutschen Flughäfen, der letzte erst kurz nach Ostern in Berlin-Tegel. Natürlich werden wir weder dem Flughafenbetreiber noch der Flugsicherung ein Gewehr oder einen Netzwerfer in die Hand drücken. Die Abwehr einer erkannten Drohne, die eine Gefahr für den Luftverkehr darstellt, ist Aufgabe der Polizei. An den großen Flughäfen, an denen die Bundespolizei die Aufgabe der Luftsicherheit wahrnimmt, ist selbstverständlich die Bundespolizei für die Drohnenabwehr mitverantwortlich. Der polizeiliche Zugriff ist aber auch Aufgabe der Landespolizeien. Wir brauchen eine Klärung im Hinblick auf die Verantwortlichkeiten der Flughafenbetreiber und der Flugsicherung.

Die Airports und die Airlines sind nicht gut auf Sie zu sprechen. Die „Lufthansa“ klagt, die Sicherheitskontrollen hätten die „geringste Qualität zu den höchsten Kosten“.
Romann: Ohne Sicherheitskontrollen verdient im zivilen Luftverkehr niemand Geld. Unsere Aufgabe ist die Gewährleistung der Sicherheit der Reisenden und des Gepäcks, nicht die Etablierung eines Geschäftsmodells. Gegen eine falsche Ausfallhaftung kann ich mich nur zur Wehr setzen.

Wer ist denn schuld an Verspätungen und Ausfällen?
Romann: Es ist unredlich, die Sicherheitskontrollen dafür verantwortlich zu machen. Selbst nach der Berechnung des Verbands der Luftverkehrswirtschaft gehen nur 2,1 Prozent der Verspätungen oder Ausfälle auf die Sicherheits-, Grenz- und Zollkontrollen zurück.

Wer ist für die anderen 97,9 Prozent verantwortlich?
Romann: Das Wetter verursacht zu 4,8 Prozent die Verspätungen und Ausfälle. Beschwert sich jemand über das Wetter?

Das Wetter kann man nicht ändern. Noch mal: Sind die Kontrollen ein Problem des zivilen Luftverkehrs?
Romann: Engpässe im Luftraum sind zu 10,6 Prozent für Verspätungen und Ausfälle verantwortlich, das kann man ändern. Wir setzen in Frankfurt und Hamburg modernste Technik ein und können bis zu 500 Passagere in der Stunde checken.

Warum nur in Frankfurt und Hamburg?
Romann: Wir sind dabei, weitere Kontrollspuren und moderne Technik zu installieren. Nur: Dafür brauchen wir an den 13 Flughäfen, an denen die Bundespolizei für die Kontrollen zuständig ist, mehr Fläche von dem jeweiligen Flughafenbetreiber. Und mit Fläche verdient er Geld, wahrscheinlich mehr Geld mit Parfümerien und anderen Läden als mit Start- und Landegebühren. Die Preispolitik der Airlines ist ein Anreiz, Handgepäck mitzunehmen, möglichst dicht gepackt.

Was tun Sie dagegen?
Romann: Soll ich die Vorstandsvorsitzenden verhaften? Luftfahrtunternehmen sollten dieses Geschäftsmodell überdenken, sonst muss die Politik das lösen.

Zum Geschäftsmodell der Flughäfen gehört es, dass die Fluggäste sich lange am Airport aufhalten, aber nicht unbedingt an den Sicherheitskontrollen. Steht die Bundespolizei nicht zwangsläufig in einem Interessenkonflikt mit den Flughäfen?
Romann: Die Airports und die Airlines verfolgen rein wirtschaftliche Interessen - bisweilen zu unseren Lasten. Bei mir hört der Spaß auf, wenn Passagiere, die aus einem sicheren Flughafen ankommen und nicht erneut kontrolliert werden müssten, bei einem Zwischenaufenthalt nicht zum Abfluggate, sondern zur nächsten Ladenzeile gelenkt werden. Mit der Folge, dass sie dann erneut durch die Sicherheit gehen müssen. Wir verursachen keine Peaks.

Eine Extraschleife zum Einkaufen?
Romann: Genau. Wir fordern seit Jahren eine andere Geschäftspolitik. Wenn man mit Parfümverkauf mehr Geld als mit dem Flugverkehr verdient, haben wir naturgemäß einen Interessenkonflikt. Wir brauchen einen deutlicheren gesetzlichen Anspruch auf die Bereitstellung von Flächen, um überhaupt mehr Kontrollspuren einführen zu können. Fläche ist für uns das A und O.

Und die haben Sie nicht?
Romann: Wenn die Passagierzahlen steigen und die Flugzeuge immer größer werden, aber die Flughäfen keine Anbaumöglichkeit mehr haben, können sie keine Fläche generieren. Dann haben wir ein Problem.

Die Kontrollen erledigen - unter Ihrer Aufsicht - private Sicherheitsdienste. Warum nimmt die Bundespolizei das nicht komplett in die Hand?
Romann: Der Gesetzgeber hat überwiegend die Passagierkontrollen privatisiert, die Personal- und Warenkontrollen komplett. Nur Passagier- und Gepäckkontrollen werden von uns zertifiziert, beaufsichtigt und geprüft. Mein Vorschlag war immer, die Bundespolizei von vollzugsfremden Aufgaben zu entlasten. Die Bundespolizei ist kein Kartellamt, kein Beschaffungsamt. Der Flughafenbetreiber kann durchaus die Ausschreibungen durchführen, für die materielle Ausstattung sorgen und auch das Personal für die Kontrollen selbst stellen und verplanen, solange die Bundespolizei dieses Sicherheitspersonal beleiht und die Aufsicht hat sowie den bewaffneten Schutz garantiert. Die Koalition hat vereinbart, dass die Kontrollen eine hoheitliche Aufgabe bleiben. Das ist der Rahmen. Aber einzelne Prozesse können meines Erachtens weiter privatisiert werden. Der Bundesrechnungshof erstellt ein Gutachten zur Durchführung und Steuerung von Luftsicherheitskontrollen. Wir sind alle gespannt auf die Ergebnisse.

Was können die Reisenden tun?
Romann: Sie sollten mindestens eine gute Stunde vor Abflug am Flughafen sein, ihr Gepäck möglichst aufgeben und weniger in der Kabine mit sich führen. Das würde uns entlasten. Dann würde alles schneller gehen. Im Berufsverkehr ist es überall voll, auf der Schiene wie auf der Autobahn. Am Flughafen müssen auch nicht alle zwischen sieben und acht Uhr fliegen. Eine Entzerrung würde helfen, die Bedarfsspitzen zu senken. Wenn alle zur selben Zeit fliegen, sind Staus unvermeidlich.

Abschiebungen sind auch eine Aufgabe der Bundespolizei. In 7800 Fällen sind sie am Starttag gescheitert. Jetzt plant Innenminister Seehofer, direkt am Flughafen bis zu zehn Tage lang Flüchtlinge in Ausreisegewahrsam zu nehmen. Werden Bundespolizisten jetzt auch zu Gefängnisaufseher?
Romann: Die meisten Abschiebungen scheitern im Vorfeld daran, dass die betreffenden Personen am Abflugtag oder auch schon vorher nicht aufgefunden werden. Die Initiative von Minister Seehofer ist völlig richtig. Ich muss Sie in einem Punkt korrigieren: Die Unterbringung und Versorgung ist Sache der Länder. Die Ausreisepflichtigen werden uns grundsätzlich am Flughafen übergeben. Auch für den Ausreisegewahrsam am Flughafen gilt im Übrigen: Die Flughäfen müssen Fläche zur Verfügung stellen.

Im Jahr 2018 haben Piloten in 506 Fällen eine Abschiebung abgelehnt. Haben Sie als Jurist Verständnis dafür?
Romann: Die Rechtslage ist klar: Nach Paragraph 12 Absatz 1 des Luftsicherheitsgesetzes hat der Pilot als Beliehener für die Sicherheit an Bord des im Flug befindlichen Luftfahrzeuges zu sorgen. Diese Aufgabenwahrnehmung als Beliehener stellt umgekehrt klar, dass der Pilot den originären Hoheitsträger nicht an seiner hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung hindern kann, vor allem nicht am Boden auf deutschem Staatsgebiet. Unsere Personenbegleiter Luft stellen sicher, dass von Rückzuführenden für Passagiere und Besatzungen keine Gefahren ausgehen. Im Konfliktfall hat die Luftsicherheitsbehörde am Boden das letzte Wort, also die Bundespolizei.


Hinweis: Die Veröffentlichung von Text und Bild geschieht mit freundlicher Genehmigung der Funke Mediengruppe.

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